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Lausitzer Rundschau 28.10.2005
Grafische Kunst als Falltür ins Gehirn
Doppelbödige Arbeiten von Meinhard Bärmich und Andreas Klose im Cottbuser Kunstmuseum
Innerhalb der Ausstellungsinitiative Mit Blick auf 2006 - Kunst in Cottbus präsentieren die Kunstsammlungen der Brandenburgischen Kulturstiftung die Grafikdesigner Meinhard Bärmich und Andreas Klose. Ihre erhellenden bis doppelbödigen Arbeiten bereicherten und bereichern vor allem die Theaterwelt.
Andreas Klose & Meinhard Bärmich
Die beiden Lausitzer Künstler zeigen rund 90 Arbeiten, vorwiegend Plakate, aber auch Zeichnungen, Buchillustrationen, Künstlerbücher, freie Grafik und Malerei. Im letzten Part dieser Reihe anlässlich des 850. Cottbuser Stadtjubiläums kommen damit zwei Werkkollektionen zu Gesicht, deren Genre den größten eigenständigen Fundus des Kunstmuseums repräsentiert: Plakate.

Überwiegend sind Theaterplakate seit Ende der achtziger Jahre bis zur Gegenwart zu sehen. Beide Grafiker sind oder waren wahlweise für das Cottbuser Staatstheater oder die Neue Bühne Senftenberg tätig. So haben die Akteure einen maßgeblichen Anteil daran, dass die Inszenierungen durch eine originelle und vielschichtige Dokumentation im Bild ergänzt werden. Das sollte unbedingt weitergeführt werden. Denn die Blätter zeigen durchweg ganz eigene Sichten, aufregende und (ent-)spannende Annäherungen an die dramatischen Stoffe. Theatergeschichte ist das sowieso.

Meinhard Bärmich ist wohl einer der am meisten verkannten Meister im eigenen Land. Seine Plakatkunst hat einen so originären Rang, so beeindruckende stilistische Sicherheit und unbedingte oder verborgene Heiterkeit, dass sie unter der Vielfalt der grafischen Handschriften geradezu hervorleuchtet. Spielerisch geht er mit dem Material um, grimmig-lieb, bunt-chaotisch, heiter-ernst und listig-schlau sind Attribute seines Denk- und Zeichenhaushalts. Ein strittmatterischer Geist.

Diese Plakate sind voller Lebendigkeit und Frische. Herrgottnichnochmal, Bärmich ist nicht der spitzbübische Klassenkasper der grafischen Zunft. Hauptberuflich scheint er Humorist zu sein, im Bunde mit einem ein- und durchleuchtenden Verstand. Bärmichs Grafik ist - um endlich den Nenner zu finden - strittmatterisch. Denn ähnlich wie der Wundertäter aus der Lausitz kann er jede Sternschnuppe zum Kosmos weiten und gleichsam jede Posse aus der großen Welt auf die heimatliche, also begehbare, Erde zurückholen.

Beispiel: Was Bärmich 2004 für die Neue Bühne Senftenberg mit Plenzdorfs Paul & Paula – die Legende vom Glück ohne Ende macht, ist gewagt und völlig klar, basta! Mit nur zwei Farben, Rot und Blau, und den beiden stilisierten Geschlechtsteilen bringt er die ganze Geschichte auf den Punkt. Kürzer geht’s nicht. Ebenso wie in dem unnachahmlichen Blatt Die drei von der Tankstelle nach der Film-operette von anno dazumal. Kein betörender Klamauk. Drei nackte Männer, die Köpfe weggeschnitten, mit Autobatterie, Unfallsignalschild und Benzinkanister vor der nämlichen Stelle. Hier fehlt alle Nostalgie, nur kulturgeschichtlicher Witz und nachsichtige Verlegung des Themas ins Heute sind gefragt.

Aber dann die epische Ader, das Erzählerische, die Lust am Hintersinn, am skurrilen Erleben unserer Existenzweise. Die Reise um die Erde in 80 Tagen heißt das Plakat zur einer Theaterinszenierung von Pavel Kohout (nach Jules Verne) aus dem Jahr 1991. Das zeichnerische Faible verschafft sich jetzt Geltung. Farben, Figuren, Hawaii-Palmen, der Yogi auf dem Elefanten, fliegende Menschen, Sputnik, Hammer und Sichel als Pfeifentabak für einen Engländer, jede Menge Satire und Entdeckungen im Wunderland.

Man lasse sich nicht von der Leichtigkeit täuschen - hier lauert Tiefsinn und beißende Dialektik. Bärmich ist eigenwillig, an ihm kann man sich reiben, stoßen und die Stirn aufschlagen. Danach hat man vielleicht ein Loch im Kopf - und sieht klarer.

Andreas Kloses Arbeiten sind keine Laut-Malerei. Und der Künstler verführt auch nicht ins Labyrinth. Da ist alles beherrscht, zuweilen sanft, unaufgeregt und dennoch packend. Sein werbegrafisches Talent korrespondiert mit malerischen Fähigkeiten. Wo nötig, reduziert Klose bis zur Anonymität, die dennoch ein Fenster für den Einblick offen hält. Es öffnet sich freilich nur über die Falltür des Gehirns. Wolfskinder , ein Theaterplakat für die Aufführung in Cottbus 1998 ist dafür ein Beispiel. Das gesichtslose Kind im Tunnel und die schwarze Gestalt wie ans Kreuz genagelt . . . Dienstleister der Literatur - Zu Oliver Bukowskis Stück Gäste (2000), hat Andreas Klose ebenfalls das Plakat für die Cottbuser Bühne gestaltet. Per Fotocollage steckt er die Figuren (Schauspieler) ins Einweckglas. Unten steht der Regisseur (Gastgeber). Und wer Bukowskis Stück kennt, weiß um dessen Doppelbödigkeit. Wie der Grafiker dies meistert, ist mehr als Illustration. Deckel zu, Gäste weg! Kann auch ganz schön sein. Dieser Grafiker leistet der Theaterliteratur Dienste. Dem Brecht beispielsweise. Als Quintana in der Lausitz den „Kaukasische(n) Kreidekreis“ inszenierte, entstand Kloses Blatt dazu: Die Fläche geteilt in Schwarz und Grau; unten ein weißer Kreis. Das ist alles. So hätte es Brecht gefallen, dem Meister der schlichten Würde in grauer Seide.

Ebenso wie Bärmich zeigt auch Klose seine malerischen und freien Arbeiten. Unter anderem Druckgrafik und Künstlerbücher. Wunderbar leichte und poetische Farbholzschnitte sind dabei, fühlbare Naturimpressionen in kolorierten Aquatinta-Radierungen. Unter anderem Tauwetter (2003), ein kleines Blatt, die Katen unter dem Winterhimmel, im Eiswind die Bäume, still, ohne einen Anflug von billiger Romantik. Das überzeugt. Auch die kleine Eigenedition des Künstlerbuches zu neun Geschichten von Erwin Strittmatter, 1986 gemeinsam mit Gabi Klose, ist ein kostbares Kleinod. Andreas Klose bietet Miniaturen des Naturschauspiels. Seine Liebe für die sensiblen Stimmen der Jahreszeiten ist unverkennbar. Sie ist brauchbar für Orientierungen über die Mauern und Fassaden des Alltags hinaus. So kann es auch sein, wenn man es denn sieht.

Klaus Trende