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Lausitzer Rundschau, 04.09.2010
87 Bilder in 90 Minuten

Rund 7000 Euro hat eine Kunstversteigerung am Donnerstagabend im Cottbuser Kunstmuseum Dieselkraftwerk (dkw.) eingespielt. Sie kommen Erdbebenopfern in Chile zugute. Eine Grafik des Cottbusers Meinhard Bärmich erzielte mit 400 Euro den höchsten Preis. Die RUNDSCHAU hat den Bieterwettstreit beobachtet.

Auch wenn das Anliegen ernst ist: So eine Benefizveranstaltung, auf internationalem Parkett »Charity-Event« genannt, dient natürlich auch als soziale Bühne. Man amüsiert sich, trinkt das eine oder andere Gläschen, sieht und wird gesehen. Das läuft in Cottbus nicht anders.

In der zweiten Reihe des Museumsfoyers sitzt der Cottbuser Unternehmer und Kunstmäzen Helmut Rauer. Eine Damenriege umgibt ihn mit Parfümwolken. In der ersten Reihe nimmt Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch (SPD) als Schirmherrin des Abends Platz, Rauer hilft ihr aufmerksam aus der Jacke.

Hinten postiert sich ein anderer Cottbuser Kunstjäger, der in bescheidenerem Rahmen sammelt: Andreas Majewski. Er verfolgt mit Pokerface, doch sichtlich angespannt, das Auktionsgeschehen. Franziska Steinhauer, die Krimi-Schriftstellerin, gibt keine Gebote ab. Vermutlich sammelt sie in dem Ambiente aus Kunst, Geld und Eitelkeit Anregungen für neue Mordfälle. Maler Hans Scheuerecker, der legendenumwobene Wüstling der Lausitzer Kunstszene, kommt als Letzter, bleibt aber nur wenige Minuten. Er folgt offenbar der Maxime der englischen Salon-Dandys des 19. Jahrhunderts: »Make an impression and than leave« - mach' einen großen Auftritt und entschwinde.

Außerdem im Publikum: René Serge Mund, Geschäftsführender Direktor der Brandenburgischen Kulturstiftung und damit Hausherr, Marietta Tzschoppe als Vertreterin der Stadtverwaltung, Carmen Gennermann vom Verein Chile für die Welt Cottbus (der die Auktion ausrichtet) sowie als Initiator des Projektes: der Künstler Rudolf Sittner. Auffällig viele Lausitzer Honoratioren, die sonst keine Bussi-Bussi-Gala auslassen, fehlen freilich, vielleicht wollen sie ihr Portemonnaie schonen. Auch Museumsleute sind nicht zu sehen. Das mag daran liegen, dass die knapp 87 eingereichten Arbeiten von Künstlern aus Brandenburg, Berlin und Sachsen keine Hauptwerke sind, sondern kleinere, kostengünstige Formate, vor allem Druckgrafik.

Es purzeln keine Rekorde

Das niedrigste Mindestgebot liegt bei zehn Euro, das höchste, 960 Euro, verlangt die Künstlerin Simone Claudia Hamm für ein Armband mit eingebautem Hundert-Euro-Schein. »All about money« heißt dieses Werk, für das jedoch niemand im dkw. eine solche Summe ausgeben will.

Ölscheichs, russische Oligarchen und geheimnisvolle Telefonbieter, die in den großen Auktionshäusern Sotheby's oder Christie's die Preise in märchenhafte Höhen treiben, erscheinen hier nicht. Es purzeln keine Kunstrekorde.

Trotzdem läuft die Auktion munter. Moderator Helmuth Henneberg vom rbb und Kunstkritiker Herbert Schirmer leiten die Versteigerung. Sie lösen die schwierige Aufgabe, 87 Werke in nur 90 Minuten unter den Hammer zu bringen (man will die Geduld der Interessenten nicht überstrapazieren), mit Bravour. Die Gesprächsführung des Duos erinnert an das Fußballmoderatorengespann Gerhard Delling und Günter Netzer. Henneberg dampfplaudert betont kunstbanausisch und fordert seinen Partner mit liebevollen Frotzeleien heraus: »Das haben Sie eindrucksvoll erklärt, Herr Schirmer.« Der schmunzelt still vor sich hin und kontert gelegentlich mit trockenem Humor. Eine Zeichnung zungenküssender Pferde mit menschlichen Geschlechtsteilen (Urheber ist der Berliner Künstler Thomas J. Richter) umschreibt der Kunstkenner beispielsweise als »Pferdeflüsterei«. Großes Gelächter antwortet ihm.

Eifrig geboten und verkauft wird auch: Bei einem Reigen von erotischen Linolschnitten Richters schlägt Grafikspezialist Andreas Majewski mehrfach mit Geboten zwischen 50 und 80 Euro zu. Helmut Rauer sichert sich eine Papyrus-Arbeit Rudolf Sittners (»Die Treppen von Valparaiso«) für 350 Euro. Von den aufgerufenen fünf Exemplaren des Künstlerbuches »Verlorene Orte« von Sigrid Noack wandern gleich vier in seinen Besitz. Sie kosten ihn jeweils 35 beziehungsweise 45 Euro. Vier Siebdrucke Hans Scheuereckers spielen zwischen 100 und 180 Euro ein. Einen erwirbt die Cottbuser Zahnmedizinerin Ursula Tiede, die sonst vor allem Bilder von Günther Rechn sammelt. Martina Münch kauft für je 60 Euro zwei fröhlich gemusterte Grafiken der Künstlerin Erika Stürmer-Alex. Wissenschaftler Lars Scharnholz lässt sich zwei Illustrationen Gerd Hallaschks zu Gedichten Christian Morgensterns 25 und 75 Euro kosten. Das höchste Gebot des Abends, 400 Euro, erzielt der Siebdruck »Damenwahl« von Meinhard Bärmich. Dessen humorvolle Grafiken erweisen sich als Publikumsrenner.

Rund 7000 Euro eingespielt

Insgesamt hat die Auktion nach Angaben Rudolf Sittners rund 7000 Euro eingespielt, wobei 64 Bilder verkauft wurden. Zehn Prozent der Summe erhalten die teilnehmenden Künstler. 90 Prozent sind für den Wiederaufbau einer Schule bestimmt, die im Frühjahr bei einem verheerenden Erdbeben in Chile zerstört wurde. Carmen Gennermann zeigte sich mit diesem Ergebnis sehr zufrieden. Sie ist eine von vielen Chilenen, die nach dem Militärputsch des Diktators Pinochet gegen die Regierung Salvador Allendes im Jahr 1973 Zuflucht in Cottbus gefunden haben.

Von Felix Johannes Enzian

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