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Lausitzer Rundschau 13.09.2008
Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus zeigt Theaterplakate aus 100-jähriger Geschichte
Blätter, die die Welt bedeuten
«Vorhang auf!» heißt eine Plakatausstellung des Kunstmuseums Dieselkraftwerk Cottbus, die am Dienstag ihre Pforten öffnete (RUNDSCHAU berichtete ). Sie ist dem 100. Geburtstag des Staatstheaters gewidmet. 70 Kunstwerke aus über 30 Jahren werden gezeigt.
Wenn in einer Theaterveröffentlichung stünde, Regie in einer Inszenierung habe Walter Böhm geführt oder Andreas Wallat, Rudolf Sittner, Meinhard Bärmich oder Andreas Klose, würde das jeder Theaterbesucher als einen Irrtum oder ein Missverständnis bezeichnen. Ist der Theaterbesucher zugleich mit der bildenden Kunst in der Niederlausitz vertraut, würde er nun die Namen aus der einen Schublade herausnehmen und in die andere, vermeintlich richtige hineintun. Wenn sich aber der theaterbesuchende, kunstvertraute Mensch die Ausstellung «Vorhang auf!» ansähe, würde er möglicherweise, vor dem einen oder anderen Plakat stehend, von dessen Künstler sagen: «Das ist ja eine ganz originelle Sicht.

Wie wenn er selbst Regie geführt hat.» Die oben Genannten – Walter Böhm (Jahrgang 1922), Andreas Wallat (1954), Meinhard Bärmich (1952); Rudolf Sittner (1944) und Andreas Klose (1958) – haben für das Theater gearbeitet und waren und sind in das Theater regelrecht vernarrt. Aus ihrer Begeisterung erwachsen die «Blätter, die die Welt bedeuten» . Sie sind selten geworden in Deutschland. Schade; denn Plakate machen nicht nur aufmerksam, sondern wecken Vorfreude. Für den Ausstellungsbesucher sind sie zugleich Rückblick, Erinnerung an wunderbare, manchmal auch nachdenkliche Stunden. Und wie frisch und frech und fesch sie einherkommen! Ein Bildatem voller Scherz, Ironie, Sarkasmus und tieferer Bedeutung. Die Faszination des Theaters, hier ist sie sichtbar. Walter Böhm, der sich nur ungern an leitende und leidende Ängstlichkeit und daraus resultierende politische Bevormundung in DDR-Zeiten erinnert, hat dessen ungeachtet oft Feuer an die Lunte gelegt, indem er eine Sache auf den Punkt brachte. Er war ein Meister der Pointe. Die Konsequenz aus dem, was auf der Bühne verhandelt wurde, machte er auf dem Plakat

sichtbar.Die Lunte an einem Sprengball ( «Protokoll einer Sitzung» ), einer, der sich selbst auf das Denkmal gestellt hat ( «König Karl» ), Adam und Eva, die einen Schatten werfen, der die Gestalt des Teufels angenommen hat ( «Die Erschaffung der Welt» ) und das brennende Sofa ( «Biedermann und die Brandstifter» ).

Dreispitz mit DDR-Wappen

Dass sich Gegensätze anziehen, weiß nicht nur ein bekannter Schlager, auch Andreas Wallat inszeniert mit ihnen. Als er für «Die Preußen kommen» 1984 Friedrich II.

mit einem DDR-Wappen auf dem Dreispitz ausstattete, war es den Offiziellen der «Ehemaligen» ein Dorn im Auge, der Reaktionen erforderte. «Das Plakat» , so hieß es damals, «ist nicht verboten, aber zur Veröffentlichung nicht zugelassen.» «Herrn Puntila» , der, wann immer er betrunken war, zum Menschen wurde, konfrontiert er mit einer Flasche Hochprozentigem und zwei Geistern darinnen, und für Don Juans Höllenfahrt bei Moliere erfindet er ein zündholzbestimmtes Mystery-Feuerwerk. Auf den Plakaten für «Der Kirschgarten» und «Othello» geben sich die Hauptgestalten merkwürdig bedeckt, als wollten sie nicht in sich schauen lassen.

Rudolf Sittner ist der große Andeuter, ein Mann der sparsamen Mittel. Auf das Symbol reduziert, beginnt der Stückstoff zu reden.

Der Zylinder über dem Torso eines weiblichen Unterleibes, wen gelüstete es da nicht, dieses Bild für «Die Dame vom Maxim» zu ergänzen? Vier verschieden beschuhten Beine stehen für «Ein seltsames Paar» . Zwei geheimnisvolle Hände, die eine pur, die andere maskiert, beide das Siegeszeichen formend, machen neugierig auf Heiner Müllers «Der Auftrag» . Schier genial ist die Idee zum Plakat «Das Sparschwein» . Vom Kopf bis zum Ringelschwänzchen ist alles da. Doch der Leib ist als Spirale zu sehen. Wie ein gewaschenes Betttuch bis zum letzten Tropfen ausgewrungen, ist das Sparschwein bis zum letzten Cent geleert.

Seit 1995 ist Andreas Klose der Grafiker des Hauses. Er möchte mit seinen Mitteln «ein bisschen lauschen lassen, ohne zu viel zu verraten» . Mit seiner althergebrachten Kunst möchte er Interesse für eine andere althergebrachte Kunst wecken und sie ein wenig in neuer Sicht zeigen.

Ein Frosch fällt auf einem Plakat kopfüber durch das Bild. «Lakoma» heißt das Stück von Oliver Bukowski. Der Frosch ist einer von der bedrohten Art, der der Kohle weichen muss. Eine einsame Kuh, eher gelangweilt, steht in weiter grüner und blau überhimmelter Landschaft. Wo so eine Kuh ist, kann «Ole Bienkopp» nicht weit sein. Das «Land des Lächelns» ist durch eine jochbeinauffällige zitronengelbe Maske gekennzeichnet – China auf der Bühne.

«Das Mitmachen dürfen allein bewirkt Verzauberung» , bekennt Meinhard Bärmich. Theater ist für ihn, «was passieren könnte und was noch keiner ahnt. Wie eine Panne, ein Kurzschluss im Denken, aus denen eine gute Idee wird.» Seine Plakate fordern mehrere Blicke heraus. Oft erzählt er Geschichten. Details fügen sich zusammen. Es ist, als ginge eine Vorstellung über das Blatt.

Auf dem Siegerpodest

Köstlich die Verrenkungen seiner Artistin auf dem «Feuerwerk» -Plakat, die uns den Allerwertesten entgegenstreckt und trotzdem durch die Knie ins Gesicht lacht. Oder der «Physiker» , der ganz wie Vogel Strauß den Kopf in den Sand steckt. Bärmich widmete dem Theater eine besondere Gratulation: ein Plakat zum 100. Es stellt die berühmtesten Bauwerke der Welt vor. Auf einem Siegertreppchen wie bei der Tour de France. Platz 3: der Eiffelturm von Paris, Platz 2: die Pyramiden von Giseh und Platz 1: das Staatstheater Cottbus. Die Anmerkung sei erlaubt, dass zwar die Dopingkontrolle noch nicht gewesen ist, Lokalpatriotismus aber zu den anerkannten und erlaubten Mitteln zählt.

Sie gehören wahrlich zusammen, die Bretter und die Blätter, die die Welt bedeuten.

Die Ausstellung im Kunstmuseum Dieselkraftwerk ist bis zum 26. Oktober geöffnet.

Von Klaus Wilke

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